Suizidalität – Woran erkennt man, ob jemand selbstmordgefährdet ist?

In meinen Sitzungen als Psychotherapeutin kommt immer wieder ein Thema zum Vorschein, über das wenig gesprochen wird: Der Suizid – der Selbstmord oder Gedanken daran. Vor allem in schwierigen Lebenssituationen kann es so weit führen, dass Menschen denken, es lohne sich nicht mehr. Die subjektiv wahrgenommene Perspektive des Betroffenen verengt sich und sie sehen “keinen Sinn” mehr darin weiterzuleben. Doch es muss nicht so weit kommen und es gibt – vor dem Hintergrund von Viktor Frankls Therapieform – mehr als Hoffnung: Denn jedes Leben hat unter allen Umständen Sinn und jeder Mensch kann es notfalls wieder erlernen den persönlichen Sinn wahrzunehmen und sich danach auszurichten. Um den Betroffenen professionelle Hilfe zukommen zu lassen ist es vorab notwendig bei sich selbst, bei Familienangehörigen, bei Freunden etc. die Warnsignale zu erkennen und in Notfallsituationen richtig zu handeln.

Ein Ansatz für mehr Sinn im Leben: Die Logotherapie und Existenzanalyse

Für Viktor Frankl ist der Hauptgrund für Suizid stets der fehlende Sinn, das sogenannte “existentielle Vakuum”. Das formuliert er folgendermaßen:

„Findet der Mensch einen Sinn, dann ist er auch bereit zu leiden, wenn es nötig sein sollte. Umgekehrt aber, wenn er um keinen Sinn des Lebens weiß, dann pfeift er auf´s Leben, auch wenn es ihm äußerlich noch so gut gehen mag, und unter Umständen schmeißt er es dann eben weg.“ (Viktor Frankl)

Seine Behandlungsmethode ist die sogenannte Logotherapie (von Logos = Sinn) – die Hilfe zur Sinnfindung. Selbst in Situationen, die ausweglos erscheinen, lohnt es sich zu kämpfen, denn das Leben hat unter allen Umständen einen Sinn. Die Logotherapie und Existenzanalyse kann Menschen vor dem „Absturz“ auffangen und ihnen einen Weg zeigen, wie sie wieder ihren ganz individuellen Sinn im Leben finden können und dass dieser unter allen Umständen existiert.

Wie erkenne ich Selbstmordgedanken bei mir, meiner Familie, Freunden & Bekannten?

Zunächst gibt es bestimmte Personengruppen, die eher anfällig für Selbstmord/-Gedanken sind. Zu den Risikogruppen zählen beispielsweise:

  • Depressive Menschen
  • Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen
  • Menschen mit chronischen Schmerzen
  • Einsame Menschen
  • Menschen, die bereits Suizid angedroht oder in der Vergangenheit versucht hatten

Weitere Faktoren, die Suizidgedanken begünstigen können, sind einerseits eine erhöhte Krisenanfälligkeit – das bedeutet, dass man wenig persönliche Ressourcen oder Bewältigungsstrategien im Umgang mit schwierigen Situationen zur Verfügung hat. Und andererseits konkrete Krisen-Anlässe, wie zum Beispiel:

  • Trennungen
  • Verlust des Arbeitsplatzes
  • traumatisierende Erlebnisse
  • starke Konfliktsituationen
  • finanzieller Notstand
  • etc.

Neben den Risikogruppen und den krisenähnlichen Zuständen gibt es noch weitere Signale, die auf suizidales Verhalten hindeuten können:

Pöldinger beschreibt 3 Phasen der Suizidalität:

  1. Die Phase der Erwägung: der Betroffene zieht sich von den sozialen Kontakten zurück; es besteht meist eine Aggressionshemmung; der Betroffene kann sich aber noch von suizidalen Gedanken distanzieren
  2. Die Phase der Abwägung: es herrscht ein “innerer Kampf”; oft gibt es Ankündigungen oder Hilferufe des Betroffenen sowie plötzliche Kontaktabbrüche
  3. Die Phase des Entschlusses: die Entscheidung wurde innerlich getroffen und der Betroffene tätigt mögliche Vorbereitungen; die “Ruhe vor dem Sturm” – der Betroffene wirkt kurz vor dem beschlossenen Suizidversuch sogar lockerer und entspannter

Ringl beschreibt ein “präsuizidales Syndrom”:

  1. es besteht eine zunehmende Einengung der Gedanken – es bestehen fast nur noch negative Gedanken; auch die Werte, Verhaltensmuster und zwischenmenschlichen Beziehungen verarmen
  2. Aggressionsstau oder Aggressionsumkehr gegen die eigene Person
  3. Suizidphantasien: entweder aktiv vorgestellt und intendiert oder als ein passives aufdrängen dieser Gedanken erlebt

weitere unspezifische Warnsignale auf die Sie achten können:

  • Die Freude an Interessen und Hobbys geht verloren.
  • Die Person wirkt niedergeschlagen, hoffnungslos und pessimistisch.
  • Arbeit/Beruf/Verpflichtungen können nicht mehr wie früher erfüllt werden (z.B. wegen Antriebslosigkeit, starker Depressivität, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen und Appetitverlust etc.)
  • Die Person spricht sehr häufig über den Tod und beschäftigt sich mit Dingen rund um dieses Thema.
  • Die Person beschäftigt sich stark mit “der Sinnfrage” – für ihn wirkt alles sinnlos und leer.
  • Der Betroffene zeigt leichtsinniges Verhalten wie das Riskieren von Verkehrsunfällen durch riskantes Autofahren oder selbstschädigende Verhaltensweisen.

Fragen um die Selbstmordgefährdung einzuschätzen – bei sich und anderen:

Haben sie in letzter Zeit häufiger daran gedacht?
Wie häufig?
Haben sie konkrete Ideen wie sie es umsetzen würden?
Haben sie mit irgendjemandem darüber gesprochen?
Halten sie Ihre derzeitige Lebenssituation für aussichtslos?
Ist es schwer an etwas anderes als ihre Probleme und ihren Leidenszustand zu denken?
Haben sie Zukunftsperspektiven?
Gibt es Dinge auf die sie sich freuen?
Was hat sie bisher davon abgehalten es zu machen?
Was hält sie noch am Leben?
Fühlen sie sich in der Gemeinschaft, der Familie oder im Freundeskreis verwurzelt?

“Best Practice” – wie Sie bei Selbstmord-Gedanken richtig reagieren:

  • Warnsignalen beobachten: Wie konkret sind Suizidgedanken und Pläne?
  • Die Motivation zu einer verbindlichen Behandlung steigern und psychotherapeutische Hilfe aufsuchen.
  • Den Betroffenen nicht alleine lassen – wenn notwendig gemeinsam mit ihm Hilfsangebote aufsuchen.
  • Selbstmordgedanken offen ansprechen – die Betroffenen sind meist froh, darüber sprechen zu können…
  • Sicherheit, Wertschätzung, Verlässlichkeit vermitteln – das Gespräch eher auf das Hier und Jetzt lenken…
  • Engmaschige Kontakte zu professionellen Helfern und dem eigenen sozialen Netz pflegen · -Einen Notfallplan erarbeiten – z.B. wer kümmert sich im Fall eines stationären Aufenthaltes um die Tiere, die Wohnung, wen kann der Betroffene bei Notfällen anrufen, etc.
  • Im Zweifelsfall eine stationäre Aufnahme: bei Verdacht sollte ein stationärer Aufenthalt vor dem “point of no return” erfolgen.

Notfallnummern und Anlaufstellen:

Bei akuten Notfällen (zum Beispiel bei unmittelbaren Suizidankündigungen) sollten Sie umgehend die Polizei unter der Telefonnummer 133 verständigen oder die Rettung unter der Telefonnummer 144 rufen.

Wenn noch keine akuten Notfälle oder konkrete Suizidabsichten bestehen wenden sie sich an niedergelassene PsychotherapeutInnen und PsychiaterInnen um eine Therapie zu beginnen. Weitere Anlaufstellen können sein:

Niederösterreichisches Krisentelefon

Tel.: 0800 202016, täglich 0–24 Uhr

Psychosoziale Beratung für Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Online unter www.noe.gv.at.

PsychoSozialer Dienst der Caritas der Diözese St. Pölten

für die Regionen Waldviertel, Mostviertel und Zentralraum

Tel. 02742/844-501 Online unter www.caritas-stpoelten.at.

Psychosozialer Dienst der PSZ GmbH

für die Regionen Weinviertel, Industrieviertel und Wien Umgebung

Tel. 02266/66185 Online unter www.psz.co.at. Weitere Adressen finden Sie online unter: www.psz.co.at/schnelle-hilfe sowie unter sowie www.buendnis-depression.at.

Selbsthilfegruppen zu allen Themen

Online unter www.selbsthilfenoe.at.

Selbsthilfegruppen für Angehörige HPE, Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter:

Online unter www.hpe.at.

Selbsthilfegruppen für Hinterbliebene

Suchen Sie nach „Suizid“ oder „Trauer“ im Selbsthilfegruppen-Verzeichnis der Selbsthilfe Niederösterreich unter www.selbsthilfenoe.at.

 

 

Literaturverzeichnis:

Frankl, V. (1985). Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn

Frankl, V. (2000). Das Leiden am sinnlosen Leben. Psychotherapie für heute.

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